- Die wichtigsten Trends im Überblick
- Schwerpunkte der PMK
- Entwicklung nach Deliktsarten
- Weitere Trends und Entwicklungen
- Rückläufige Entwicklungen
- Herausforderungen und Strategien der Polizei
Die wichtigsten Trends im Überblick
- Politisch motivierte Straftaten sind um 40,2 Prozent angestiegen – der stärkste prozentuale Zuwachs seit Einführung des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK) im Jahr 2001.
- Innerhalb der letzten zehn Jahre haben sich die Fallzahlen mit einem Anstieg von 115,9 Prozent mehr als verdoppelt.
- Auch politisch motivierte Gewalttaten erreichen mit 4.107 Fällen einen neuen Höchststand seit 2016.
- Propagandadelikte, Sachbeschädigungen, Beleidigungen, Volksverhetzungen, Nötigungen und Bedrohungen und Verstöße gegen das Versammlungsgesetz umfassen in der Summe etwa 86,8 Prozent aller gemeldeten Straftaten im Bereich der PMK.
- Rechtsmotivierte Straftaten nahmen mit einer Steigerung von 47,8 Prozent am deutlichsten zu und machen mehr als die Hälfte aller polizeilich registrierten Taten aus. Der deutliche Anstieg ist insbesondere auf die Vielzahl der gemeldeten Propagandadelikte zurückzuführen ist. Aber auch die rechtsmotivierten Gewaltstraftaten stiegen im Jahr 2024 deutlich um 17,2 Prozent – ein Beleg für die hohe und weiterhin zunehmende Gewaltbereitschaft.
- Auch die linksmotivierten Straftaten bleiben wegen der Gewalttendenzen und Sachschäden in Millionenhöhe eine Herausforderung für die Sicherheitsbehörden.
- Hasskriminalität nimmt weiter zu.
- Innerhalb der Hasskriminalität steigen die antisemitischen Straftaten erneut an (+20,8 Prozent) und erreichen mit 6.236 Fällen einen neuen Höchststand.
- Auch der Nahost-Konflikt wirkte sich auf das Straftatenaufkommen aus: In diesem Kontext wurden 7.328 Fälle verzeichnet, ein Anstieg um 67,7 Prozent.
- Das Superwahljahr 2024 hatte deutliche Auswirkungen auf die Politisch Motivierte Kriminalität: Es wurden 11.788 Straftaten im Zusammenhang mit den Wahlen erfasst.
- Amts- und Mandatstragende sowie Parteirepräsentanten und -mitglieder stehen nach wie vor als Angriffsziel deutlich im Fokus von Straftaten.
- Die Gefahren durch Spionage mit Cyberspionage, Sabotage mit Cybersabotage und transnationale Repression mit Staatsterrorismus sind real und gewinnen in der polizeilichen Arbeit zunehmend an Bedeutung.
- Die andauernden und zunehmenden globalen Konflikte wirken sich maßgeblich auf den Deliktsbereich Völkerstrafrecht aus.
Die Zahlen dokumentieren eine wachsende Polarisierung und Radikalisierung innerhalb der Gesellschaft. Soziale Medien spielen dabei aufgrund der rasant und enorm angestiegenen Verbreitung von Hass, Hetze, Desinformation und Propaganda eine entscheidende Rolle. Globale Krisen und Konflikte wie der Nahost-Konflikt und der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, gepaart mit wirtschaftlicher und sozialer Unsicherheit sowie gesellschaftlichen Veränderungen – auch als Spätfolge der Corona Pandemie – führen zu Verunsicherung. Sie sind ein Nährboden für Spannungen und Radikalisierungen, die sich zunehmend auf das Protestgeschehen auf deutschen Straßen und das gesellschaftliche Klima auswirken. Phänomene wie hybride Bedrohungen und ideologisch aufgeladene Proteste zeigen: Eine Trennung zwischen innerer und äußerer Sicherheit ist kaum noch möglich.
Entwicklung des Gesamtstraftatenaufkommens der PMK nach Phänomenbereichen im Verlauf der letzten zehn Jahre (2015–2024)
Wie werden die Fallzahlen erhoben?
Straftaten, die aus einer politischen Motivation heraus begangen werden, werden im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK) durch die zuständigen Landeskriminalämter an das Bundeskriminalamt übermittelt und in einer zentralen Fallzahlendatei erfasst. Auf Basis dieser Daten führt das BKA die bundesweite Statistik, die jährlich im Frühjahr des Folgejahres vorgestellt wird.
Welche Phänomenbereiche gibt es?
Bei der Politisch motivierten Kriminalität wird zwischen folgenden Phänomenbereichen unterschieden:
Kann der Sachverhalt keinem dieser vier Phänomenbereiche eindeutig zugeordnet werden, ist der Phänomenbereich PMK -sonstige Zuordnung- zu wählen.
Schwerpunkte der PMK
Die Erhebung politisch motivierter Straftaten erfolgt anhand mehrerer Kriterien: Neben der Einteilung in Phänomen- und Deliktsbereiche werden durch die Vergabe sog. Themenfelder auch thematische Schwerpunkte berücksichtigt. Zudem werden Details wie Tatmittel oder Angriffsziele dokumentiert. Durch die Möglichkeit, Taten mehreren Feldern zuzuordnen, entsteht ein differenziertes Gesamtbild der PMK. Nachfolgend werden einige Entwicklungen in den Schwerpunkten Hasskriminalität, Straftaten im Internet, Straftaten im Kontext Wahlen, Straftaten gegen den Staat und seine Vertreter sowie Straftaten im Kontext Nahost-Konflikt dargestellt.
Hasskriminalität
Die Straftaten der Hasskriminalität sind im Jahr 2024 um 28,0 Prozent auf 21.773 Fälle angestiegen – damit sind ihr über ein Viertel aller politisch motivierten Straftaten zuzuordnen. Über nahezu alle Themenfelder hinweg, die sich an den Motiven der Straftaten orientieren, ist ein meist deutlicher Anstieg der Fallzahlen festzustellen. Die Delikte richten sich dabei gezielt gegen Menschen oder Gruppen aufgrund bestimmter Merkmale wie Nationalität, Hautfarbe oder Geschlecht.
Mehr als zwei Drittel aller Taten der Hasskriminalität entfallen auf den Phänomenbereich PMK -rechts-.
Hasskriminalität kurz erklärt
Unter Hasskriminalität versteht man kriminelle Handlungen, die mit einem Vorurteilsmotiv begangen werden. In der Definition des BKA heißt es dazu:
„Hasskriminalität bezeichnet politisch motivierte Straftaten, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und /oder er Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie unmittelbar aufgrund von Vorurteilen des Täters bezogen auf:
- Nationalität
- Ethnische Zugehörigkeit
- Hautfarbe
- Religionszugehörigkeit/Weltanschauung
- sozialen Status
- physische und/oder psychische Behinderung oder Beeinträchtigung
- Geschlecht/geschlechtliche Identität
- Sexuelle Orientierung
- Äußeres Erscheinungsbild
begangen werden. Straftaten der Hasskriminalität können
- sich unmittelbar gegen eine Person oder Personengruppe, eine Institution oder ein Objekt/eine Sache richten, welche(s) seitens des Täters einer der o. g. gesellschaftlichen Gruppen zugerechnet wird (tatsächliche oder zugeschriebene Zugehörigkeit) oder
- sich im Zusammenhang mit den vorgenannten Vorurteilen des Täters gegen ein beliebiges Ziel richten.“
Erläuterung: Der Begriff Hasskriminalität ist an den international eingeführten Begriff Hate Crime angelehnt. Fremdenfeindliche, darunter auch antisemitische Straftaten sind Teilmengen der Hasskriminalität.
Hauptursächlich für die hohen Fallzahlen im Bereich der Hasskriminalität war u. a. der erneute Anstieg fremdenfeindlicher Straftaten um 29,1 Prozent auf 19.481 Straftaten, von denen 74,8 Prozent dem Phänomenbereich PMK -rechts- zugeordnet wurden. Diese werden aufgrund von Vorurteilen bezogen auf die Nationalität, ethnische Zugehörigkeit, Hautfarbe oder Religionszugehörigkeit des Opfers verübt.
Entwicklung der fremdenfeindlichen Straftaten im Themenfeld „Hasskriminalität“ in den einzelnen Phänomenbereichen im Vergleich des Berichtszeitraums zum Vorjahr (2024 zu 2023)
Dabei wurden 9.368 ausländerfeindliche Straftaten (+34,3 Prozent) verzeichnet, von denen mit 93,7 Prozent ebenfalls der weit überwiegende Teil rechtsmotiviert war. Bei diesen Straftaten ist das Motiv auf Vorurteile gegenüber einer anderen als der deutschen Nationalität zurückzuführen (auch bei einem nichtdeutschen Tatverdächtigen).
Entwicklung der ausländerfeindlichen Straftaten im Themenfeld „Hasskriminalität“ in den einzelnen Phänomenbereichen im Vergleich des Berichtszeitraums zum Vorjahr (2024 zu 2023)
Auch die Zahl antisemitischer Straftaten ist im Jahr 2024 mit 6.236 Fällen erneut gestiegen (+20,8 Prozent), nachdem sich die Zahl im Jahr 2023 bereits nahezu verdoppelt hatte. Diese Entwicklung ist im Wesentlichen auf den anhaltenden Nahost-Konflikt infolge der Terrorangriffe der HAMAS auf den Staat Israel zurückzuführen. Bei den antisemitischen Straftaten gewinnt daher der Phänomenbereich PMK -ausländische Ideologie- zunehmend an Bedeutung – hier stiegen die Fallzahlen um 63,6 Prozent auf 1.940 Taten. Trotz einer leichten Abnahme von 0,6 Prozent entfallen jedoch mit 3.016 Fällen, wie in bislang jedem Erfassungsjahr, die meisten Straftaten auf den Phänomenbereich PMK -rechts-. Jüdische Einrichtungen und Personen werden weiterhin im Zielspektrum rechter Agitation bleiben. Neben Volksverhetzungen sind weiterhin insbesondere Propagandadelikte, Sachbeschädigungen bis hin zu Brandanschlägen, aber auch Beleidigungen, Bedrohungen und Körperverletzungen zu erwarten.
Entwicklung der antisemitischen Straftaten in den einzelnen Phänomenbereichen im Vergleich des Berichtszeitraums zum Vorjahr (2024 zu 2023)
Innerhalb der Hasskriminalität verzeichnete die Polizei den prozentual stärksten Anstieg im Bereich der frauenfeindlichen Straftaten (+73,3 Prozent). Mehr als die Hälfte der Taten war rechtsmotiviert (+51,3 Prozent) und etwa ein Drittel der Delikte wurde dem Phänomenbereich PMK -sonstige Zuordnung- zugeordnet (33,9 %). Eine mögliche Ursache ist die Ablehnung von Gleichberechtigung – oft verbunden mit dem Wunsch, traditionelle Rollenbilder zu bewahren. Der gesellschaftliche Wandel hin zu mehr Emanzipation kann von manchen als Bedrohung empfunden werden.
Entwicklung der politisch motivierten Straftaten im Themenfeld „Frauenfeindlich“ in den einzelnen Phänomenbereichen im Vergleich des Berichtszeitraums zum Vorjahr (2024 zu 2023)
Hass und Hetze im Internet
Der digitale Raum spielt eine immer größere Rolle bei der PMK – insbesondere bei Hasskriminalität. Aktuelle Zahlen belegen diese besorgniserregende Entwicklung: Im Jahr 2024 wurden 10.732 Straftaten im Zusammenhang mit sogenannten „Hasspostings“ erfasst. Das entspricht einem Anstieg von etwa 34 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Zunahme zeigt deutlich, wie sehr sich Hass und Hetze online weiterverbreiten – mit realen Folgen für die Gesellschaft.
Im Internet – vor allem in sozialen Medien – verbreiten sich zunehmend Hassbotschaften, Desinformation und extremistische Inhalte. Sie können Meinungen beeinflussen, gesellschaftliche Normen verschieben und den Eindruck verstärken, dass hasserfüllte Einstellungen weit verbreitet und akzeptiert seien. Das kann zur Nachahmung ermutigen und Hasskriminalität begünstigen – und zu Radikalisierungen führen.
Entwicklung der politisch motivierten Straftaten unter Nennung des Tatmittels „Hassposting“ in den einzelnen Phänomenbereichen im Vergleich des Berichtszeitraums zum Vorjahr (2024 zu 2023)
Ein weiterer Faktor für den Anstieg der gemeldeten Fälle ist die Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet (ZMI) des BKA, die gemeinsam mit ihren Partnern immer mehr strafbare Inhalte aufdeckt und so aus dem Dunkelfeld ins polizeilich registrierte Hellfeld verlagert.
Straftaten im Kontext Wahlen
Das Superwahljahr 2024 – mit Europawahl, drei Landtagswahlen sowie neun Kommunalwahlen – hatten spürbare Auswirkungen auf die Politisch motivierte Kriminalität in Deutschland.
Im Wahlkontext kam es u. a. zu Straftaten wie Sachbeschädigungen an Wahlplakaten, Parteibüros sowie verbalen und körperlichen Übergriffen auf Politikerinnen, Politiker und Wahlkampfhelfende. Die Fallzahlen stiegen sprunghaft um 427 Prozent an (von 2.238 in 2023 auf 11.788). Vergleicht man allerdings die Zahlen 2024 mit dem Superwahljahr 2021, ist der Unterschied bei Weitem nicht so deutlich (Anstieg um 12,4 Prozent). Die meisten Fallzahlen im Kontext Wahlen wurden im Phänomenbereich PMK -sonstige Zuordnung- mit 7.777 Delikten festgestellt, gefolgt von der PMK -links- mit 2.374 Delikten und der PMK -rechts- mit 1.566 Delikten.
Im Zusammenhang mit den Wahlen wurden vorwiegend niedrigschwellige Delikte wie Sachbeschädigungen (70,3 Prozent) und Diebstahlsdelikte (14,8 Prozent) verzeichnet. Mit 89,7 Prozent richtete sich der größte Teil der Straftaten mit Wahlbezug gegen Wahlplakate. Häufig bleibt dabei die Tatmotivation unklar, weshalb viele Fälle statistisch dem Phänomenbereich PMK - sonstige Zuordnung - zugewiesen werden.
Im Bereich der PMK -links- führten vor allem die Konfrontationen mit dem politischen Gegner- oftmals Vertreter der AfD, zu einem Anstieg der Fallzahlen. Die Wahlerfolge der Partei wirkten mobilisierend auf Teile der linken Szene. Die Fallzahlenentwicklung in diesem Phänomenbereich ist stark von Einzelereignissen und Kampagnen geprägt.
Der Phänomenbereich PMK -rechts- verzeichnete einen besonders starken Anstieg von 51 Delikten im Jahr 2023 auf 1.566 Delikte im Jahr 2024. Es ist zu vermuten, dass die intensiv geführten Wahlkampfdebatten zur Migrationspolitik zu einer weiteren Polarisierung der teils fremdenfeindlichen, insbesondere rassistischen und ausländerfeindlichen Einstellungen in der rechten Szene beigetragen haben.
Entwicklung der politisch motivierten Straftaten unter Nennung der Themenfelder „Bundestagswahlen“ und/oder „Europawahlen“ und/oder „Kommunalwahlen“ und/oder „Landtagswahlen“ im Sechsjahresvergleich (2019 bis 2024)
Auch Amtsträger, Mandatsträger und/oder Parteirepräsentanten bzw. Parteimitglieder wurden 2024 vielfach zum Angriffsziel von Straftaten im Kontext von Wahlen. Hier stieg die Zahl der Fälle auf 1.256.
Im Rahmen des KPMD—PMK werden dem Angriffsziel „Amtsträger“ Straftaten erfasst, die sich u. a. gegen Bürgermeister, Landräte, kommunale Wahlbeamte, den Bundeskanzler, Minister und/oder Ordnungsamtsmitarbeitende richten.
Dem Angriffsziel „Mandatsträger“ werden Straftaten zugewiesen, die sich z. B. gegen Abgeordnete, Mitglieder des Bundes- oder Landtages und/oder Stadträte richten.
Das Angriffsziel „Parteirepräsentant/Parteimitglied“ wird vergeben, wenn die Straftat zum Nachteil von Mitgliedern einer Partei oder eines Repräsentanten einer Partei begangen wird. Bspw. der Versand eines politisch motivierten Schmäh-/Drohbriefes an ein Parteimitglied, das politisch motivierte Anbringen einer Farbschmiererei an einem Haus einer Person, die einer Partei zugehörig ist sowie Straftaten gegen Wahlkampfhelfende (auch ohne tatsächliche Mitgliedschaft in einer Partei).
Straftat gegen den Staat und seine Vertreter
Die Straftaten gegen den Staat und seine Vertreter sind im letzten Jahr leicht um 8,3 Prozent gesunken. Dieser Rückgang ist begründet durch deutlich weniger Straftaten mit dem Angriffsziel Staat (6.942 Fälle, -22,4 Prozent). Hierbei handelt es sich um Straftaten, die sich beispielsweise gegen Amtsträger, Mandatsträger, Symbole des Staates oder öffentliche Gebäude und Einrichtungen richten (z. B. Sachbeschädigung an einem Fahrzeug des Ordnungsamtes). Diese Zahl darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Amts- und Mandatsträger nach wie vor als Angriffsziel deutlich im Fokus von politisch motivierten Tätern stehen. Bei den Straftaten gegen den Staat handelt es sich schwerpunktmäßig um Beleidigungen (3.635) und Propagandadelikte (3.574). Mit großem Abstand folgen Sachbeschädigungen (1.861) und Verstöße gegen das Versammlungsgesetz (1.215).
Das hat ganz konkrete Folgen für diejenigen, die sich politisch engagieren: Die aktuellen Ergebnisse des Kommunalen Monitorings zu Hass, Hetze und Gewalt gegenüber Amtsträgerinnen und Amtsträgern (KoMo) zeigen, dass mehr als jede dritte befragte Person (34 Prozent) von Hass und Hetze in ihrem Amtsalltag betroffen ist. Rund 80 Prozent der Befragten sehen sich durch Desinformationen oder KI-generierte „Deep Fakes“ in ihrer persönlichen Sicherheit und politischen Karriere bedroht. 81 Prozent der Betroffenen leiden an psychischen und physischen Folgen. Die Konsequenz daraus ist u. a., dass sich Betroffene nicht mehr politisch engagieren wollen und somit auch nicht mehr zur Wahl aufstellen lassen.
Entwicklung der politisch motivierten Straftaten mit den Angriffszielen „Amtsträger“ und/oder „Mandatsträger“ in den einzelnen Phänomenbereichen im Vergleich des Berichtszeitraums zum Vorjahr (2024 zu 2023)
Straftaten im Kontext Nahost-Konflikt
Internationale Krisen und Konflikte wirken sich auch auf das Sicherheitsgeschehen in Deutschland aus – das zeigt der erneute Anstieg politisch motivierter Straftaten im Zusammenhang mit dem in der Folge der Terroranschläge der HAMAS am 07.10.2023 gegen den Staat Israel andauernden Nahost-Konflikt. Nachdem im Jahr 2023 die Zahl solcher Delikte sprunghaft auf 4.369 angestiegen ist, wurden im Jahr 2024 7.328 Fälle registriert – ein weiterer Anstieg um 67,7 Prozent. Mit 2.832 Fällen lag einem bedeutenden Anteil der Straftaten im Kontext Nahost-Konflikt eine antisemitische Tatmotivation zugrunde
Mit 70,1 Prozent wurde der weit überwiegende Anteil dieser Straftaten im Bereich PMK -ausländische Ideologie- erfasst (5.138 Fälle). Weitere 906 Fälle entfielen auf den Bereich PMK -religiöse Ideologie-. Der deutlichste prozentuale Anstieg wurde allerdings im Bereich PMK -links- registriert. Hier wurden 437 Straftaten erfasst, das entspricht einem Anstieg von 238,8 Prozent.
Die Zahlen belegen, dass globale Konflikte direkte Auswirkungen auf das gesellschaftliche Klima und die innere Sicherheit in Deutschland haben. Der fortwährende und intensivierte Nahost-Konflikt und seine Auswirkungen auf Deutschland ist maßgebend für die Fallzahlen im Phänomenbereich PMK -ausländische Ideologie- und birgt großes Emotionalisierungs- und Mobilisierungspotenzial.
Auch islamistische Gruppierungen nutzen und befördern die Emotionalisierung, die mit dem Nahost-Konflikt und der humanitären Lage vor Ort einhergeht, für propagandistische Zwecke. Seit etwa zwei Jahren ist eine Zunahme an relevanten Gefährdungshinweisen im Bereich islamistischer Terrorismus zu erkennen. Die jüngsten islamistischen Anschläge in Mannheim, Solingen und Berlin sowie verhinderte Taten zeigen, dass die Gefährdungslage anhaltend hoch ist und Deutschland nach wie vor im Fokus des islamistischen Terrorismus steht. Die Zahl von 452 islamistischen Gefährdern (Stand 29.04.25) verdeutlicht dies zudem.
Entwicklung nach Deliktsarten
Nachfolgend wird auf einige ausgewählte Delikte eingegangen. Konkret: Gewaltdelikte, Propagandadelikte und Sachbeschädigungen sowie Straftaten im bzw. mittels Internet.
Gewaltdelikte
Nachdem die Zahl politisch motivierter Gewaltdelikte im Jahr 2023 zurückgegangen war, ist für 2024 ein Anstieg um 15,3 Prozent auf 4.107 Taten zu verzeichnen. Zurückzuführen ist dies zum einen auf die nahezu verdoppelte Fallzahl im Bereich PMK -ausländische Ideologie- (975 Fälle, was einem Anstieg von 98,6 Prozent entspricht), zum anderen auf die Steigerung um 17,2 Prozent im mit 1.488 erneut fallzahlenstärksten Bereich Phänomenbereich PMK -rechts-. In den übrigen Phänomenbereichen ist die Zahl der Gewaltdelikte hingegen zurückgegangen (PMK -links-: -16,8 Prozent; PMK -religiöse Ideologie-: -3,3 Prozent) oder nahezu unverändert (PMK -sonstige Zuordnung-: +0,1 Prozent).
Das bestätigt den Trend, der sich bereits für die in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfasste Allgemeinkriminalität zeigte: Gewalt und Gewaltbereitschaft im digitalen und analogen Bereich steigen in unterschiedlichen Kriminalitätsbereichen. Auch dies kann ein Anzeichen für steigende Polarisierung und Radikalisierung sein.
Entwicklung der politisch motivierten Gewalttaten in den einzelnen Phänomenbereichen im Vergleich des Berichtszeitraums zum Vorjahr (2024 zu 2023)
Gewaltdelikte kurz erklärt
Politisch motivierte Gewaltkriminalität ist die Teilmenge der Politisch motivierten Kriminalität, die eine besondere Gewaltbereitschaft der Straftäter erkennen lässt. Dazu zählen:
- Tötungsdelikte
- Körperverletzungen
- Brand- und Sprengstoffdelikte
- Landfriedenbruch
- Gefährliche Eingriffe in den Schiffs-, Luft-, Bahn- und Straßenverkehr
- Freiheitsberaubung
- Raub
- Erpressung
- Widerstandsdelikte
- Sexualdelikte
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Propagandadelikte und Sachbeschädigungen
Mit einem Anteil von 37,1 Prozent an den Gesamtfallzahlen stellten Propagandadelikte im Jahr 2024 phänomenübergreifend erneut die am häufigsten gemeldeten Delikte der Politisch motivierten Kriminalität dar. In diesem Deliktsbereich wurden 31.229 Taten registriert, ein Anstieg um mehr als die Hälfte (56,9 Prozent). Mit einem Anteil von 84,3 Prozent entfielen die mit Abstand meisten Propagandadelikte auf den Phänomenbereich PMK -rechts-.
Wie im Vorjahr bilden Sachbeschädigungen mit 21,4 Prozent und 17.992 Taten den zweitgrößten Anteil unter den Deliktsarten. Hier haben sich die Fallzahlen mit einem Plus von 93,4 Prozent beinahe verdoppelt. Hierfür hauptursächlich ist der enorme Anstieg (178,3 Prozent) auf 7.991 Taten im fallzahlenstärksten Phänomenbereich PMK -sonstige Zuordnung-. Mit einem Anteil von 45,5 Prozent richtete sich fast die Hälfte aller politisch motivierten Sachbeschädigungen gegen Wahlplakate.
Propagandadelikte kurz erklärt
Propagandadelikte sind Straftaten, bei denen es um die Verbreitung von bestimmten verbotenen Inhalten verfassungswidriger und terroristischer Organisationen geht (extremistisch, volksverhetzende oder verfassungsfeindliche Propaganda). Dazu zählen das Verbreiten von Propagandamitteln (wie Aufkleber, Flugblätter, Videos etc) und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen (u. a. Fahnen, Abzeichen und Parolen).
Straftaten im/mittels Internet
Politisch motivierte Straftaten, die im oder mittels Internet begangen wurden, sind im Jahr 2024 um 29,6 Prozent auf 20.074 Fälle angestiegen. Mit 10.732 Taten entfällt mehr als die Hälfte davon auf den Phänomenbereich PMK -rechts-, was einem Anstieg um 52,8 Prozent entspricht. Insgesamt sind, mit Ausnahme des Phänomenbereichs PMK -sonstige Zuordnung-, in allen Bereichen Zuwächse zu verzeichnen.
Die erneut gestiegenen Zahlen politisch motivierter Straftaten im digitalen Raum unterstreichen die zunehmende Bedeutung des Internets – insbesondere sozialer Medien – als Radikalisierungstreiber, die durch die Verbreitung von Hass, Hetze, Desinformation und Propaganda maßgeblich zur gesellschaftlichen Polarisierung und Spaltung beitragen.
Weitere Trends und Entwicklungen
Straftaten im Kontext Spionage mit Cyberspionage, Sabotage mit Cybersabotage, Transnationale Repression mit Staatsterrorismus
Seit einiger Zeit ist ein vermehrtes Aufkommen an Verdachtsfällen von Ausspähungs- und Sabotageaktivitäten von Nachrichtendiensten fremder Staaten (insbesondere Russland), vorwiegend im Bereich von Kritischer Infrastruktur, militärischen Einrichtungen und Industriestandorten in Deutschland zu verzeichnen. Darüber hinaus sind politische Einrichtungen, Politiker, Oppositionelle, Dissidenten und Sicherheitsbehörden von solchen Aktivitäten betroffen.
Ziel ist neben der Erlangung von geschützten Informationen auch die Destabilisierung der deutschen Gesellschaft und Wirtschaft. Außerdem sollen die westlichen Maßnahmen zur Unterstützung der Ukraine unterminiert werden. Dabei bedienen sich fremde Nachrichtendienste unterschiedlicher Modi Operandi. Dazu gehören
- offene Informationsabschöpfung
- elektronische Aufklärung und Cyberangriffe
- menschliche Quellen, unter anderem durch
- Legalresidenturen (Stützpunkte eines ausländischen Nachrichtendienstes, getarnt in einer offiziellen Vertretung)
- Illegale (Bezeichnung für Geheimdienstmitarbeitende, die im Einsatzland unter falscher Identität operieren)
- “Low-Level-Agents“ („Stellvertreter“ oder auch „Proxys“): Akteure ausländischer Dienste, durch die eine direkte Konfrontation vermieden wird.
Anwerbeversuche für Sabotage- und Spionage-Tätigkeiten erfolgen zunehmend über die Sozialen Medien. Diese angeworbenen Personen werden als „Low-Level-Agents“ bezeichnet. Das heißt, sie führen Straftaten in Deutschland aus, ohne eine nachrichtendienstliche Ausbildung erhalten zu haben, teilweise gegen ein geringes Entgelt und oft ohne zu wissen, wer ihre wahren Auftraggeber sind, welchem Zweck die Taten dienen oder welche strafrechtlichen Konsequenzen sie zu erwarten haben (in einem besonders schweren Fall mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe). In Deutschland werden aktuell mehrere Verdachtsfälle (darunter Brandstiftungen, Sachbeschädigungen, Drohnenüberflüge sowie verdächtiges Foto- und Videografieren) beobachtet und polizeilich bearbeitet.
Straftaten im Deliktsbereich Völkerstrafrecht
Die andauernden Konflikte von globaler Bedeutung prägten die Arbeit im Deliktsbereich Völkerstrafrecht im Jahr 2024 maßgeblich. Denn Kriege und kriegerische Auseinandersetzungen sind nicht selten durch eine grobe Missachtung des humanitären Völkerrechts gekennzeichnet.
Die überwiegende Zahl der Strafverfahren im Bereich Völkerstrafrecht hatte in 2024 einen Bezug zum sog. Islamischen Staat und insbesondere dem syrischen Bürgerkrieg.
Die deutsche Polizei nimmt aber auch Hinweise zu möglichen Kriegsverbrechen im Rahmen des andauernden Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine entgegen. Mehr Informationen zur "Zentralstelle für die Bekämpfung von Kriegsverbrechen" (ZBKV) im Bundeskriminalamt und Informationen zur Meldung von Kriegsverbrechen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine finden Sie hier.
Rückläufige Entwicklungen
Im Jahr 2024 gingen die Fallzahlen politisch motivierter Straftaten in mehreren Deliktsbereichen zurück. Insbesondere im Zusammenhang mit Klima und Umweltschutz (-59,1 Prozent), dem Krieg in der Ukraine (-39,0 Prozent) sowie im Kontext der Reichsbürgerbewegung/Selbstverwalter (-23,5 Prozent) wurden weniger Straftaten als im Vorjahr registriert.
Darüber hinaus ist die Aufklärungsquote mit 42,0 Prozent leicht gefallen (2023: 46,9 Prozent).
Herausforderungen und Strategien der Polizei
Das Jahr 2024 markiert mit einem neuen Höchststand politisch motivierter Straftaten eine herausfordernde Phase in der inneren Sicherheit. Ursachen für den starken Anstieg liegen vor allem in den intensiven Wahlkampfphasen sowie in den Auswirkungen internationaler Krisen und Konflikte, insbesondere des Nahost-Konflikts und den Folgen des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine. Diese Entwicklungen zeigen: Die Polizei muss flexibel und vorausschauend sowohl auf innenpolitische als auch auf geopolitische Ereignisse reagieren können.
Mit über der Hälfte aller registrierten Fälle bleibt die Politisch motivierte Kriminalität -rechts- eine der größten Bedrohungen für die freiheitliche demokratische Grundordnung. Gleichzeitig behalten die Sicherheitsbehörden alle Phänomenbereiche im Blick und gehen konsequent gegen extremistische und terroristische Täter und Strukturen vor – unabhängig von deren ideologischer Ausrichtung.
Dies wird unterstrichen durch Ermittlungserfolge des Bundeskriminalamts wie beispielsweise die Festnahme von vier mutmaßlichen Mitgliedern einer rechtsextremistischen terroristischen Vereinigung im November 2024 oder die Festnahme des mutmaßlichen ehemaligen RAF-Mitgliedes Daniela Klette im Januar 2024, oder auch vier Festnahmen von Mitgliedern einer ausländischen terroristischen Vereinigung (u.a. der Arbeiterpartei Kurdistan (PKK)). Ebenso mündeten zurückliegende Ermittlungen im Kontext der Reichsbürgerbewegung in einer Anzahl von fast 30 Angeklagten im Jahr 2024 vor drei Oberlandesgerichten. Darüber hinaus gab es auch Ermittlungserfolge im Bereich des islamistischen Terrorismus, darunter die Festnahme eines mutmaßlichen Unterstützers der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat (IS)“ wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat im November 2024.
Auch die Hasskriminalität nimmt weiter zu – mitunter auch mit tödlichem Ausgang. Ihre entschlossene Bekämpfung ist eine gemeinsame Aufgabe von Polizei, Justiz, Politik und Zivilgesellschaft.
Besonders besorgniserregend ist nach wie vor der wachsende Einfluss digitaler Plattformen: Propaganda, Verschwörungserzählungen und extremistische Ideologien verbreiten sich rasant online.
Seit 2019 hat das BKA mit dem 3-Ebenen-Ansatz die Bekämpfung der Politisch motivierten Kriminalität intensiviert: Dazu gehören der personenbezogene Ansatz, die Netzwerkerkennung und die Bekämpfung der Hasskriminalität im Internet.
Gegen Hass und Hetze im Netz geht das BKA mit der Zentralen Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet (ZMI) gemeinsam mit seinen Kooperationspartnern konsequent vor. Es wirkt damit einer zunehmenden Verrohung der Kommunikation in sozialen Netzwerken entgegen und ermöglicht eine effektive Strafverfolgung der dort begangenen Straftaten. Darüber hinaus sind Aktionstage u.a. zur Bekämpfung von Frauenfeindlichkeit, Antisemitismus und terroristischer Propaganda im Internet zentrale Bausteine im Kampf gegen digitale Radikalisierung – ebenso wie die Entfernung terroristischer Online-Inhalte.
Um die Zusammenarbeit und Abläufe im polizeilichen Verbund weiter zu optimieren, braucht es eine Sicherheitsstrategie, die die innere und äußere Sicherheit gemeinsam denkt. Neben der Zeitwende in der äußeren Sicherheit ist auch eine Zeitenwende in der inneren Sicherheit notwendig. Die Sicherheitsbehörden müssen personell und technisch den Herausforderungen entsprechend aufgestellt werden – insbesondere auch im Bereich Datenanalyse, Cybergefahrenabwehr und der Nutzung Künstlicher Intelligenz sowie in der informationstechnischen Überwachung. Auch rechtliche Anpassungen sind notwendig, etwa eine zeitlich begrenzte, verpflichtende Speicherung von IP-Adressen, um effektiver gegen Cyberkriminalität und extremistische Strukturen im Netz vorgehen zu können. Dieses ist im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung verankert, sodass davon ausgegangen werden kann, dass eine entsprechende Rechtsgrundlage geschaffen wird. Zudem wird die Absicht geäußert, sowohl das Bundeskriminalamt als auch das Bundesamt für Verfassungsschutz für die Bekämpfung der Cyberkriminalität, der Spionage und Sabotage zu stärken.