Immer häufiger geraten Kinder und Jugendliche ins Visier von Online-Gruppen, die gezielt Vertrauen erschleichen, um junge Menschen in einen gefährlichen Kreislauf aus Drohungen, Erpressung und Selbstverletzungen zu verwickeln. Das geht hin bis zum Suizid oder strafbaren Handlungen, wie zum Beispiel Körperverletzungen oder der Misshandlung von Tieren. Meist sollen diese Handlungen aufgezeichnet oder live gestreamt werden.
Das BKA warnt vor dieser Form digitaler Gewalt.
Was passiert in diesen Gruppen?
Unter dem Begriff „Com“ (kurz für „Community“) haben sich verschiedene gewaltverherrlichende Online-Gruppen gebildet, die über soziale Netzwerke, Messenger-Dienste oder Online-Spiele Kontakt zu Kindern und Jugendlichen aufnehmen. Gezielt werden dabei insbesondere sensible Kinder und Jugendliche im Alter von acht bis siebzehn Jahren angesprochen, die bereits psychisch auffällig sind und/oder gesellschaftlichen Minderheiten angehören. Die Täter – häufig selbst noch jung – gewinnen das Vertrauen der Opfer, um sie schrittweise zu manipulieren, zu entwürdigen und schließlich zu kontrollieren.
Betroffene werden in sogenannten „Communities“ dazu gedrängt,
- sich selbst zu verletzen oder Suizid zu begehen,
- sich die Namen der Gruppen oder Täter in die Haut zu ritzen,
- erniedrigende oder sexuelle Handlungen vorzunehmen – mitunter im Livestream,
- Straftaten wie Tierquälerei, Sachbeschädigung oder Körperverletzung zu begehen,
- belastende Inhalte zu produzieren, die anschließend zur Erpressung genutzt werden.
Die Täter agieren perfide und manipulativ – meist nicht aus finanziellen Gründen, wie bei klassischer Sextortion sondern um Macht auszuüben und innerhalb der Community Anerkennung zu erlangen. Das Vorgehen erinnert an klassisches Cybergrooming, geht jedoch oft weit über sexuelle Ausbeutung hinaus.
Sextortion:
Bei Sextortion handelt es sich um sexuelle Erpressung in Chatgruppen. Opfer werden aufgefordert, Nacktbilder oder sexuelle Handlungen aufzunehmen und zu versenden. Im Anschluss drohen die Täter damit, die Aufnahmen zu veröffentlichen, wenn der geforderte Geldbetrag nicht gezahlt wird.
Cybergrooming:
Bei Cybergrooming geht es um die gezielte Anbahnung sexueller Kontakte mit Minderjährigen über das Internet. Die Täter geben sich in Chats oder Communities gegenüber Kindern oder Jugendlichen als ungefähr gleichaltrig aus oder beschreiben sich als verständnisvolle Erwachsene mit ähnlichen Erfahrungen und Interessen.
Festnahme eines Tatverdächtigen
Aus dem Phänomenbereich Cybergrooming konnte die Polizei Hamburg im Auftrag der Staatsanwaltschaft Hamburg am 17.06.2025 einen 20-jährigen Tatverdächtigen festnehmen. Ihm werden mehr als 120 Straftaten vorgeworfen. Weitere Informationen finden Sie in der gemeinsamen Pressemitteilung der Generalstaatsanwaltschaft und Polizei Hamburg.
Warnzeichen frühzeitig erkennen
Um Kinder und Jugendliche zu schützen, ist es entscheidend, Warnzeichen im Alltag frühzeitig zu erkennen. Dazu gehören etwa:
- Plötzlicher sozialer Rückzug, Launenhaftigkeit oder Nervosität
- Veränderte Ess- und Schlafgewohnheiten
- Übermäßige Online-Zeiten, insbesondere nachts
- Unerklärliche (kostspielige) Geschenke oder neue, unbekannte Online-Kontakte
- Frische Verletzungen oder eingeritzte Symbole
- Auffällige Beschäftigung mit extremen Inhalten oder Gewaltfantasien
- Tiere im Haushalt verhalten sich plötzlich anders oder kommen zu Schaden
Auch einzelne der vorgenannten Anzeichen können bereits relevant sein. In der Kombination oder bei wiederholtem Auftreten sollten Eltern, Lehrkräfte, Ärztinnen und Ärzte sowie andere Vertrauenspersonen aufmerksam werden und das Gespräch suchen. Viele Opfer vertrauen sich aus Scham niemandem an.
Was Sie tun können
- Zeigen Sie Interesse an den Online-Aktivitäten Ihres Kindes.
- Fördern Sie eine offene, wertfreie Kommunikation – auch zu belastenden Themen.
- Ziehen Sie bei konkreten Auffälligkeiten ärztliche oder psychologische Unterstützung hinzu.
- Wenden Sie sich bei Verdacht vertrauensvoll Ihre örtliche Polizei – jede Meldung kann helfen.
Wenn Sie oder Ihr Kind betroffen sind
- Beenden Sie den Kontakt zur verdächtigen Person oder Gruppe.
- Fertigen Sie Screenshots an (Chats, Profile, Inhalte).
- Blockieren und melden Sie den betreffenden Account.
- Wenden Sie sich an eine Vertrauensperson – Familie, Schule, Beratungsstellen.
- Erstatten Sie Anzeige bei der Polizei.
- Gehen Sie auf keine weiteren Forderungen ein.
Niemand, der in solche Strukturen gerät, trägt Schuld daran. Entscheidend ist, Hilfe zu suchen – und sie anzubieten, wenn man Warnzeichen erkennt.
Wählen Sie in akuten Gefahrensituationen bitte den Notruf 110!
Hilfsangebote für Betroffene und Angehörige
Hilfestellungen und weitere Informationen zur Thematik „Cybergrooming“, „Sextortion“ oder Nacktdarstellungen verbreiten finden Sie unten unter Prävention.