Bundeskriminalamt (BKA)

Forschungsprojekte Terrorismus / Extremismus

2020: EPA – Extremismuspräventionsatlas

Das BKA analysiert seit 2014 das heterogene Extremismuspräventionsangebot in Deutschland, um es im Spiegel der Politisch motivierten Kriminalität zu betrachten und daraus praktische, polizeiliche und politische Maßnahmen ableiten zu können. Unter dem Titel „Extremismuspräventionsatlas (EPA)“ wurde im Jahr 2018 mit einer Datenerhebung begonnen, die als fortlaufend angelegt ist. Hieraus ergibt sich ein Datenbestand, in den ständig neue Angebote aufgenommen und aus dem beendete Maßnahmen auch wieder herausgenommen werden. Sie können den aktuellen EPA als recherchefähige interaktive Landkarte auf der Webseite www.extremismuspräventionsatlas.de finden, mit der Sie regional und bundesweit nach Angeboten suchen können, die Ihrem inhaltlichen Filter entsprechen. Auf diese Weise werden Ihnen die Projekte/Träger mit Kontaktdaten und einer Webseitenverknüpfung angezeigt - falls vorhanden auch mit einer Verknüpfung zum Evaluationsergebnis. Neben dieser Suchfunktion haben Sie auch die Möglichkeit, uns auf bisher nicht erfasste Angebote aufmerksam zu machen und einen individuellen Newsletter zu abonnieren.

Im EPA wurden für das Jahr 2021 2.291 Angebote erfasst, die konkret die Vorbeugung extremistischen Denkens und Handelns beziehungsweise die Verhinderung einer Radikalisierung oder Politisch motivierter Kriminalität zum Ziel haben. Als Datengrundlage sind die im Internet abrufbaren Selbstdarstellungen der einzelnen Angebote und Träger sowie Angaben darüber von dritter Seite herangezogen worden. Um die Aktualität und Zuverlässigkeit der im EPA erfassten Daten zu erhöhen, wird die manuell durchgeführte Online-Recherche und Eingabe durch das BKA zukünftig durch ein Selbstmeldesystem ergänzt, das sich derzeit noch in der Entwicklung befindet. Dieses wird Trägern von Präventionsangeboten ermöglichen, Angebote selbst auf der EPA-Website zu erfassen.

Sie können den EPA im Handbuch Extremismusprävention (PDF, 6MB) ab Seite 597 in Form eines Kapitels finden, das sich ausführlich mit der Analyse der Präventionslandschaft 2018 befasst und auch einen Vergleich zu den Präventionsstrategien in Frankreich, Großbritannien und Dänemark zieht. Das Handbuch kann kostenfrei auf www.bka.de/hex als barrierefreie PDF-Datei heruntergeladen werden. Im MOTRA-Monitor 2021 erfolgt eine deskriptive Bestandsaufnahme präventiver Angebote in Deutschland im Jahr 2021. Der Beitrag im MOTRA-Monitor 2022 zeigt explorativ auf, wie die Passung von regional verfügbarem Präventionsangebot und -bedarf (gemessen anhand der Fallzahlen zur politisch motivierten Kriminalität) zukünftig tiefergehend untersucht werden könnte.

2020: HEx – Handbuch Extremismusprävention

Erfolgreiche Extremismusprävention bedarf eines gesamtgesellschaftlichen Ansatzes. Einen Beitrag für diesen Dialog soll das aktuell veröffentlichte Handbuch „Extremismusprävention“, kurz HEx, des Bundeskriminalamtes (BKA) leisten. Darin werden erstmals die aktuellen Wissensstände der Präventionslandschaft zum Thema Extremismusprävention zusammengeführt und gemeinsam abgebildet.

Die Eindämmung von Extremismus ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie kann nicht allein von den Sicherheitsbehörden bewältigt werden, sondern muss durch interdisziplinäre und ressortübergreifende Präventionsmaßnahmen von Wissenschaft und Zivilgesellschaft ergänzt werden. Erklärtes Ziel ist es, Radikalisierungsprozesse zu erkennen, wo immer möglich zu verhindern und denjenigen, die sich bereits in entsprechenden extremistischen oder terroristischen Szenen befinden, Angebote zum Ausstieg und zur Deradikalisierung zu machen.

Die Herausforderung: Das vielschichtige Wissen rund um die Extremismusprävention ist breit verteilt auf eine Vielzahl von Wissensträgern. Deshalb hat die Forschungsstelle Terrorismus/Extremismus im BKA dieses erstmals in einem Gesamtwerk zusammengetragen. Die Herausgeber, Brahim Ben Slama und Dr. Uwe Kemmesies, brachten Vertreter aus Wissenschaft und Praxis, aus Zivilgesellschaft und Behörden zusammen. Das Ergebnis dieses Austausches findet sich nun im HEx wieder und steht künftig allen Akteuren in der Extremismusprävention genauso zur Verfügung wie der interessierten Öffentlichkeit.

Zu den Inhalten gehören unterschiedlichste Phänomenbereiche wie Ausländerfeindlichkeit, Rechts- und Linksextremismus, Salafismus und Islamismus, aber auch die Präventionsarbeit in extremistischen Fußballfanszenen - sowohl in Deutschland wie auch im europäischen Ausland. Die Beiträge stammen von ausgewiesenen Expertinnen und Experten und beleuchten das weite Feld der Präventionspraxis auf der Grundlage des aktuellen Wissens- und Erfahrungsstandes.

Das dreiteilige Handbuch

  • informiert über die Grundlagen der verschiedenen Phänomenbereiche, Radikalisierungsprozesse sowie unterschiedliche Ansätze der Evaluation,
  • bietet einen Praxisteil, das verschiedene Aspekte der Umsetzung von Prävention aufzeigt und
  • setzt Schlaglichter auf ausgewählte Bereiche und Themenfelder, die eine entscheidende Rolle in der Extremismusprävention spielen.

Das Handbuch Extremismusprävention wurde inzwischen auch ins Englische übersetzt und kann auf www.handbuch-extremismusprävention.de analog zu der deutschen Version als barrierefreie PDF-Datei heruntergeladen werden. Die Inhalte des Handbuches wurden hierfür im Laufe der Übersetzungsarbeiten in Abstimmung mit den jeweiligen Verfasserinnen und Verfassern für eine internationale Leserschaft angepasst. Analog zu dem Druck der deutschen Auflage soll das englische Handbuch in einer Auflage von ca. 4.000 Stück gedruckt und weltweit an eine Vielzahl von forschenden und praktizierenden Präventionsakteuren, die von einer englischsprachigen Version des Handbuchs profitieren können, versendet werden. Somit soll wunschgemäß der Disseminationsradius des Handbuchs durch Einbeziehen nicht deutschsprechender Zielgruppen erweitert werden.

2020: KISTRA - Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) zur Früherkennung von Straftaten

Forschung an technischen Lösungen zur Erkennung von Hasskriminalität sowie sozialwissenschaftliche, ethische und rechtliche Betrachtungen zum Thema „Hass im Internet“

Das Forschungsprojekt KISTRA (Einsatz von Künstlicher Intelligenz zur Früherkennung von Straftaten) ist am 1. Juli 2020 gestartet. Ziel ist die Erforschung der Möglichkeiten und Rahmenbedingungen für den ethisch und rechtlich vertretbaren Einsatz von Künstlicher Intelligenz durch Sicherheitsbehörden zur frühzeitigen Erkennung und Prävention von Straftaten der Hasskriminalität.

An dem dreijährigen Projekt beteiligt sich ein Konsortium aus neun Partnern, geleitet von der Zentralen Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (ZITiS). KISTRA zeichnet sich durch die interdisziplinäre Einbindung von Wissenschaft, Wirtschaft und Endanwendern aus. Neben ZITiS und dem Bundeskriminalamt (BKA), das zugleich Partner und Endanwender ist, sind sieben weitere Partner am Projekt beteiligt: die Johannes Gutenberg-Universität Mainz, die Ludwig-Maximilians-Universität München, Munich Innovation Labs GmbH, die RWTH Universität Aachen, die Technische Universität Berlin, die Technische Universität Darmstadt und die Universität Duisburg-Essen. Das Forschungsprojekt verfügt über ein Gesamtbudget von 2,98 Millionen Euro.

Die Ergebnisse von KISTRA werden sozialwissenschaftliche, ethische und rechtliche Gutachten umfassen sowie auch technische Lösungen, zum Beispiel Softwaredemonstratoren. Neben der direkten Anwendung beim BKA können auch weitere Behörden mit Sicherheitsaufgaben von den Ergebnissen profitieren: einerseits über die Funktion der ZITiS als zentrale Stelle mit dem Auftrag, die deutschen Sicherheitsbehörden durch die Erforschung und Entwicklung von Werkzeugen im digitalen Raum zu unterstützen, andererseits über die Zentralstellenfunktion des BKA für die Polizeien des Bundes und der Länder.

KISTRA erforscht die mögliche Anwendung von Künstlicher Intelligenz in Sicherheitsbehörden in einem ganzheitlichen Ansatz: Sowohl technische als auch sozialwissenschaftliche, ethische und rechtliche Betrachtungen werden im Projekt berücksichtigt. Zu den übergeordneten Zielen gehören unter anderem:

  • die Betrachtung der Rechtmäßigkeit und der ethischen Vertretbarkeit der angestrebten KI-Lösungen und daraus resultierender Methoden für Sicherheitsbehörden,
  • die Erkennung und sozialwissenschaftliche Betrachtung politisch motivierter Hassreden und Hasskriminalität im Internet,
  • die Erarbeitung und Implementierung von adaptiven KI-Methoden zur Unterstützung der polizeilichen strafrechtlichen Bewertung von Vorgängen, die Hasskriminalität betreffen, sowie
  • die ganzheitliche Betrachtung der einzelnen technischen Komponenten und wissenschaftlichen Ergebnisse und deren Übertragung in eine technische Gesamtlösung (Framework).

Kontakt:
ZI11
KI-KOST
E-Mail: KI-Koordinierung@bka.bund.de

2020: Monitoringsystem und Transferplattform Radikalisierung (MOTRA)

Radikalisierung, Extremismus und schwere Gewalttaten bis hin zum Terrorismus stellen unsere Gesellschaft und die Sicherheitsbehörden insgesamt vor eine Vielzahl von Herausforderungen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Aspekt der Prävention und Bekämpfung von Extremismus, noch bevor dieser in Gewalt umschlagen kann. Dies erfordert jedoch Kenntnisse des Umfangs, der Entwicklung, der Formen und der Ursachen politischer und/oder religiös begründeter Extremismen. Mit einer Laufzeit von fünf Jahren soll das Projekt zu einer umfassenden evidenzbasierten Gestaltung von Politik und Praxis in den Handlungsfeldern Prävention und Bekämpfung von gewaltaffiner Radikalisierung beitragen und dabei einen besonderen Schwerpunkt auf die Herausbildung von islamistischen Extremismen bis hin zu terroristischen Aktivitäten legen.

MOTRA ist ein über das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Projekt im Kontext der zivilen Sicherheitsforschung. Das Vorhaben entstand im Rahmen der Einrichtung eines Spitzenforschungsclusters zur Früherkennung, Prävention und Bekämpfung von islamistischem Extremismus und Terrorismus und wird über die Laufzeit von fünf Jahren (11/2019 – 10/2024) die Projektziele bearbeiten. Neben der Forschungsstelle Terrorismus/Extremismus des Bundeskriminalamts (Wiesbaden), die als Projektkoordinator fungiert, sind bundesweit zahleiche weitere Universitäten und wissenschaftliche Forschungsinstitute als Projektpartner beteiligt, nachfolgend aufgeführt: Die Kriminologische Zentralstelle (KrimZ) aus Wiesbaden; die Berghof Foundation Operations GmbH (BF) aus Berlin; das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung GmbH (WZB); die Universität Hamburg (UHH); das German Institute of Global and Area Studies (GIGA) aus Hamburg; das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) aus München.

Die Projektverantwortlichen sind auch unter motra@bka.bund.de erreichbar.

Zur externen Projektseite www.motra.info

2019: Nationale und internationale Service- und Kontaktstelle Radikalisierungsforschung - Jetzt: Forschungsmonitor (FoMo)

Radikalisierung und die mit diesem Begriff assoziierten Phänomene Extremismus und Terrorismus stehen für ein gesellschaftlich hoch relevantes und komplexes Forschungsfeld. Getrieben durch die zunehmenden Herausforderungen von politisch und religiös motivierten Extremismen und Terrorismen haben entsprechende Forschungsaktivitäten, insbesondere in der letzten Dekade, deutlich zugenommen. Zunehmend fällt es nicht nur den potenziellen Anwenderinnen und Anwendern von Forschungsbefunden, sondern auch den einschlägig forschenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern selbst schwer, den Überblick zu behalten.

Um sich dieser Herausforderung anzunehmen, ist im Bundeskriminalamt in der Forschungsstelle Terrorismus / Extremismus (FTE) im Rahmen des MOTRA-Verbundes das Forschungsmonitoring (FoMo) eingerichtet worden. Ziel ist es, einen rascheren Informationsfluss zwischen den unterschiedlichen Beteiligten in Wissenschaft, Praxis und Politik zu gestalten.

FoMo unterbreitet zur Umsetzung vier konkrete Angebote:

  • Kontinuierliche und umgehende Information zu jüngst abgeschlossenen oder laufenden Forschungsprojekten in Form der FoMo-Eingabemaske und deren unverzügliche Dissemination im Netzwerk.
  • Bereitstellung einer Forschungsdatenbank zur gezielten Informationssuche unter https://www.motra.info/wissenstransfer/fomo-forschungsdatenbank/
  • Erstellung eines jährlichen Monitoringberichts zum jeweiligen Stand und zu Entwicklungstrends innerhalb der Radikalisierungsforschung
  • Internationalisierung und damit Ausweitung der Monitoringaktivitäten: Damit verbunden die Übersetzung der Homepage www.motra.info und der FoMo-Subsite.
  • Bereitstellung eines FoMo-Explainity-Videos unter https://www.motra.info/Fomo-Profilblatt-Formular/ 
  • Die Projektverantwortlichen sind unter forschungsmonitor@bka.bund.de erreichbar.

Zur Projektseite

2018: Soziale Formen von Gruppendruck und Einflussnahme auf Ausstiegswillige der „rechten Szene“

Qualitative Studie zur Identifizierung ausstiegshemmender Faktoren

Zentral bei der vorliegenden Studie ist die Frage, wie und unter welchen soziologischen und sozialpsychologischen Umständen Beeinflussungsversuche und Momente der Druckausübung rechtsextremer Sozialformen auf Aussteigende bzw. Ausstiegswillige hemmend auf einen Ausstieg wirken.

Die vorliegende Studie ist eine der ersten umfassenden empirischen Untersuchungen zur Ausübung von Gruppendruck und Beeinflussungen auf Ausstiegswillige aus rechtsextremen Gruppen. Die Analysen der Interviews, die 2015 und 2016 deutschlandweit mit Aussteigenden, Ausgestiegenen und Expertinnen und Experten professioneller Ausstiegsprogramme geführt wurden, ermöglichen tiefere Einblicke in die Strukturen und Dynamiken rechtsextremer Sozialformen. Vor dem Hintergrund eines komplexen Gefüges gruppenspezifischer, individueller und kontextueller Faktoren verdeutlicht das hier dokumentierte Forschungsprojekt, wie rechtsextreme Gruppen Zugehörige und Mitglieder beeinflussen und Druck ausüben, um Ausstiegsversuche zu verhindern. Zentral ist in diesem Zusammenhang die Frage, wie und unter welchen soziologischen und sozialpsychologischen Umständen Beeinflussungsversuche und Momente der Druckausübung eine ausstiegshemmende Wirkung entfalten können. Hier finden sich wesentliche Ansatzpunkte für die professionellen Ausstiegsprogramme, die in erste Handlungsempfehlungen ausformuliert werden. Mit dieser Publikation im Rahmen der BKA-Publikationsreihe „Polizei + Forschung“ sollen hilfreiche Anstöße zur praktischen Ausgestaltung von Ausstiegsprozessen und besonders auch für die polizeiliche Prävention gegeben werden. Darüber hinaus bieten die vielfältigen Teilbefunde Anknüpfungspunkte für weitergehende Forschungsaktivitäten zu diesem herausfordernden und aktuell höchst relevanten präventiven Handlungsfeld.


Ergebnisse der Studie: Soziale Formen von Gruppendruck und Einflussnahme auf Ausstiegswillige der „rechten Szene“ (PDF, 2MB)

2017: Politisch motivierte Kriminalität: Forschung zur phänomenübergreifenden Prävention

Entwicklungsmöglichkeiten einer phänomenübergreifend ausgerichteten Prävention politisch motivierter Gewaltkriminalität (PüG)

Suche nach Geborgenheit, Lebensorientierung, Anerkennung – die Gründe, warum sich eine Person einer extremistischen Gruppierung anschließt, müssen nicht immer politische sein. Welche Entwicklungsmöglichkeiten bestehen für eine phänomenübergreifende Präventionsarbeit? Was sind die Erfahrungen? Diesen und weiteren Fragen widmete sich das Forschungsprojekt PüG.

Der individuelle Anschluss an eine (extremistische) Gruppierung und auch Tatbeteiligungen können von unpolitischen Beweggründen mitbestimmt sein: Suche nach Geborgenheit, Lebensorientierung, Anerkennung, Abenteuer oder Macht. Ideologien sind oft sekundär. Das Leben der Täter ist häufig durch prekäre Lebensbedingungen, enormen Entwicklungsstress und eine problematische Bildungs- und Beschäftigungssituation geprägt und ähnelt damit dem anderer delinquenter Jugendlicher.

Es gibt aktuelle Forschungsbefunde zu den Ursachen und Risikofaktoren von politischem Extremismus, die – mit der gebotenen Vorsicht – zu dem Bild zusammengefügt werden können, dass die Verlaufsformen und -dynamiken im Radikalisierungsprozess der verschiedenen Phänomenbereiche grundlegende Gemeinsamkeiten aufweisen.

Ziel des Projektes war es, zu prüfen, welche Entwicklungsmöglichkeiten einer phänomenübergreifend ausgerichteten Prävention politisch motivierter Gewaltkriminalität vor dem Hintergrund aktueller Forschungserkenntnisse einerseits sowie der bestehenden Erfahrungen der Präventionspraxis andererseits bestehen. Aus den so gewonnenen Erkenntnissen wurden schließlich konkrete Handlungsempfehlungen für die kriminalpräventive Praxis erarbeitet.


Ergebnisse sind u. a.:

  • Phänomenübergreifende Ansätze sind bei universeller und indizierter Prävention sinnvoll.
  • Staatliche und zivilgesellschaftliche Extremismusprävention ergänzen sich hinsichtlich Zielgruppen/-setzungen und Arbeitsfeldern.
  • Psychosoziale Beweggründe werden zu wenig gewürdigt.
  • Regionale Besonderheiten und Zielgruppenorientierung müssen gestärkt werden.
  • Verhaltensorientierte Gewaltprävention ist unabhängig vom Phänomenbereich auszubauen, um das Risiko von Fehlentwicklung zu vermeiden (insbesondere vor dem Hintergrund von Migrationsbewegungen und Wechselwirkungen unterschiedlicher Extremismusarten).
  • Extremismusprävention ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung.
  • Es ist erforderlich, dass sich Psychologen und Psychiater stärker mit dem Thema Extremismus befassen.
  • Sozialpädagogische Strukturen in Schulen und muslimischen Gemeinschaften sind ausbaubedürftig.
  • Garant für erfolgreiche Prävention ist ein breites Portfolio staatlicher und zivilgesellschaftlicher Maßnahmen, die sich an unterschiedliche Zielgruppen richten. Hierbei ist auf Einzelfallorientierung zu achten.
  • Kooperationen müssen gefördert und vereinfacht werden. Um Mehrfachstrukturen zu vermeiden, müssen klare Zuständigkeiten bestehen (klare horizontale und vertikale Aufgabenteilung). Zudem ist eine dauerhafte Finanzierung wichtig.
  • Das Web 2.0 muss stärker besetzt werden. Die Vermittlung von Medienkompetenz muss intensiviert werden.
  • Fortbildung für alle statt Multiplikatorenprinzip für Fachpersonal aus Bildung/Erziehung, JVA, Polizei und Moscheegemeinden nötig.
  • Polizeidienststellen sind im Sinne des Community Policing mit wichtigen lokalen Strukturen zu vernetzen.

Die detaillierten Forschungsergebnisse in der Übersicht:

2016: Counter Narratives

Aufbauend auf "Propaganda 2.0", einem Forschungsprojekt aus dem Jahr 2013, analysiert die Studie Counter Narratives die Wirkungsweise der "positiven Gegenrede" und soll so zur Prävention islamistischer und rechtsextremistischer Propaganda beitragen.

"Counter Narratives" werden seit einigen Jahren von staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren verstärkt in der Prävention von Radikalisierung, Extremismus und Terrorismus eingesetzt. Es handelt sich dabei um das Prinzip der Verbreitung von freien, die demokratisch verfasste Gesellschaftsordnung konkret befürwortenden Botschaften, welche den einseitigen Narrativen der Propaganda von extremistischen Organisationen entgegentreten soll. Bei der Verbreitung dieser Botschaften spielen das Internet und Soziale Medien eine tragende Rolle.

Während besonders zur Umsetzung von "Counter Narratives" bereits vielfältig geforscht wurde, besteht eine Forschungslücke im Bereich der konkreten Inhalte und deren Wirksamkeit und Eignung in der anvisierten Zielgruppe. Das primäre Ziel des Projekts ist daher die Identifizierung von effektiven Wirkmechanismen und Bewertungskriterien sowie von inhaltlichen und kontextuellen Eigenschaftsmerkmalen für erfolgreiche positive Präventionsbotschaften bzw. "Counter Narratives".

Aufgrund der Komplexität der Studie werden die Arbeitsschritte modular und interdisziplinär ausgeführt.

  • Im ersten Modul wird zunächst das Feld gegenwärtig eingesetzter „Counter Narratives“ gesichtet und diejenigen ausgewählt, die aufgrund fachlich-theoretischer Erwägungen sinnvoll erscheinen. Dazu ist es erforderlich, vorhandene Inhalte zu sammeln und zu kategorisieren sowie fremdsprachliche Inhalte ins Deutsche zu übersetzen. Darüber hinaus werden die kontextuellen Rahmenbedingungen des Einsatzes durch Präventionsakteure dokumentiert: Wer wird in welchem Rahmen wo adressiert?
  • Im zweiten Modul werden repräsentative Stichproben von "Counter Narratives" anhand einer Experimentalstudie auf ihre Wirkung in unterschiedlichen Kontexten untersucht. Die hierfür im Kern erforderlichen Methoden wurden bereits im Rahmen des im Auftrag des BKA bearbeiteten Projekts "Internetpropaganda 2.0" an der Universität zu Köln erfolgreich erprobt.
  • Im dritten Modul werden qualitative Verfahren (Focusgroups) eingesetzt, um die Befunde des 2. Moduls zu vertiefen und handlungspraktische Aspekte herauszuarbeiten.

Die Erkenntnisse aus beiden Projekten, "Propaganda 2.0" sowie "Counter Narratives", sollen als Grundlage für die Entwicklung eines Präventionsprogramms dienen, welches EU-weit an Schulen zur Stärkung der politischen Teilhabe und zur Förderung eines anti-extremistischen Bewusstseins eingesetzt werden kann.

Ergebnisse der Forschung: Videos gegen Extremismus? Counter-Narrative auf dem Prüfstand (PDF, 2MB)

2016: CONTRA - Countering Propaganda by Narration Towards Anti-Radical Awareness

Förderung kritischer Medienkompetenz zur Prävention der Effekte rechtsextremistischer und islamistischer Propaganda

Viele junge Menschen nutzen soziale Netzwerke in ihrem Alltag. Rechtsextremistische und islamistische Propagandainhalte werden zunehmend über diese Netzwerke im Internet verbreitet.

Die Wirkung der Propagandainhalte darf, wie medienpsychologische Studien zeigen, nicht unterschätzt werden.

Der tägliche Umgang mit YouTube, Facebook, Instagram und X (früher „Twitter“) ist seit Jahren fester Bestandteil des Alltags vieler Jugendlicher. Parallel zu dieser Entwicklung beobachten Sicherheitsbehörden eine zunehmende Präsenz rechtsextremistischer und islamistischer Propagandainhalte im Internet, die vor allem mittels sozialer Medien und Videoplattformen verbreitet werden. Hier setzt CONTRA an.

Weitere Informationen zum Projekt

2015: Radikalisierungshintergründe und -verläufe von Personen, die aus islamistischer Motivation in Richtung Syrien oder Irak ausgereist sind

Analyse der Radikalisierungshintergründe und –verläufe der Personen, die aus islamistischer Motivation in Richtung Syrien oder Irak ausgereist sind.

Welche Personen sind bisher aus Deutschland in Richtung Syrien/Irak ausgereist? Welche Faktoren haben Einfluss auf die Radikalisierung bis zur Ausreise und welche Motive lagen der Ausreise und ggf. der Rückreise zugrunde? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigt sich eine Untersuchung des Bundeskriminalamtes, des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Hessischen Informations- und Kompetenzzentrums gegen Extremismus.

Die Auseinandersetzungen in und um Syrien, die Gründung und versuchte Ausweitung des sogenannten Islamischen Staats (IS) sowie der Kampf gegen eben diese terroristische Organisation sind Themen, die die internationale und nationale Politik weiterhin bestimmen. Diese Themen haben offenbar auch Islamisten weltweit in bisher nicht dagewesenem Maße emotionalisiert und mobilisiert. Auch in Deutschland nutzen vor allem salafistische Einrichtungen und Akteure den Konflikt in Syrien sowie im Irak, um ihre extremistische Ideologie zu verbreiten und neue Anhänger zu rekrutieren. Durch die relativ gute Erreichbarkeit Syriens sowie die Möglichkeit, über das Internet Netzwerke aufzubauen und Propaganda effektiver für unterschiedliche Zielgruppen zu platzieren, entwickelte sich eine Sogwirkung, die seit Mitte des Jahres 2012 zu einem massiven Anstieg an islamistisch motivierten Ausreisen in Richtung Syrien und Irak führte.

Die vorliegende Studie wurde im Auftrag der Innenministerkonferenz gemeinsam vom Bundeskriminalamt, Bundesamt für Verfassungsschutz und Hessischen Informations- und Kompetenzzentrum gegen Extremismus erstellt. Sie informiert über die Radikalisierungshintergründe und -verläufe der bundesweit insgesamt 677 Personen, zu denen den deutschen Innensicherheitsbehörden bekannt ist, dass sie bis Ende Juni 2015 aus islamistischer Motivation aus Deutschland in Richtung Syrien und Irak ausgereist sind oder dies aktiv versucht haben.

In der Untersuchung werden vor allem folgende Aspekte betrachtet:

  • Welche Personen sind bisher aus Deutschland in Richtung Syrien/Irak ausgereist?
  • Welche Faktoren hatten/haben Einfluss auf die Radikalisierung bis zur Ausreise und welche Motive lagen der Ausreise und ggf. der Rückreise zugrunde?
  • Wer hat in Syrien/Irak was gemacht?
  • Wo "stehen" die Rückkehrer?
  • Ist eine veränderte Ausreisedynamik zu beobachten?

Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass die Radikalisierungshintergründe der Syrien-Reisenden heterogen und die präventiven Bemühungen insofern weiterhin zu diversifizieren sind.

Ergebnisse der Analyse: Analyse der Radikalisierungshintergründe und -verläufe der Personen, die aus islamistischer Motivation aus Deutschland in Richtung Syrien oder Irak ausgereist sind (PDF, 958KB)

2013: Propaganda 2.0 Psychological Effects of Right-Wing and Islamic Extremist Internet Videos

In welcher Intensität lassen sich Wirkungseffekte von islamistischer und rechtsextremistischer Internetpropaganda ausmachen? Gibt es innerhalb und zwischen bestimmten Gruppen Unterschiede? Mit diesen Fragen beschäftigte sich im Zeitraum von 2010 bis 2013 das Forschungsprojekt "Propaganda 2.0 - Analyse der Wirkungsweisen islamistischer und rechtsextremistischer Propaganda im Internet – Möglichkeiten experimental-psychologischer Zugänge" .

Zunehmend verbreiten islamistische Organisationen ihr Propagandamaterial im Internet und erreichen damit in kürzester Zeit eine hohe Anzahl von Menschen. Damit nehmen sie starken Einfluss auf Radikalisierungs- und Rekrutierungsprozesse, besonders bei jungen Menschen.

Um dieser Entwicklung effektiv entgegenzuwirken, bedarf es eines besseren Verständnisses der Wirkungsweise von Propaganda sowie ihrer Zielgruppe. Um dies zu erreichen, wurden zwei Untersuchungsgruppen, eine studentische und eine nicht-studentische, innerhalb eines psychologischen Laborexperiments untersucht. Auf eine Forschungsstandaufbereitung folgte die Auswahl repräsentativer Sequenzen islamistischer und rechtsextremistischer Propagandavideos, mit denen die Teilnehmenden der Untersuchungsgruppen dann konfrontiert wurden.

Zentrale Fragestellung des Forschungsprojekts war, in welcher Intensität sich Wirkungseffekte von Internetpropaganda ausmachen lassen und ob sich innerhalb und zwischen bestimmten Gruppen Unterschiede abzeichnen. Darauf aufbauend ging es dann um die Identifikation von Faktoren, die bestimmte Personengruppen eher empfänglich oder resistent gegenüber Propaganda dieser Art machen.

Aus der Studie ließen sich wichtige Erkenntnisse ableiten: So scheint besonders die Art von Propaganda umfassende Wirkung zu entfalten, die als überzeugend und nicht einseitig konzipiert wahrgenommen wird. Auch wird die Wirkung eher auf emotionaler als auf kognitiver Ebene erzielt.

  • Extremistische Propaganda entfaltet wegen ihrer Einbettung in einen spezifischen sozio-kulturellen Kontext eher in der jeweiligen kulturellen Bezugs- bzw. Referenzgruppe eine Wirkung.
  • Die Wirkung scheint umso größer zu sein, je niedriger der Bildungsstand der Rezipienten ist.
  • Eine rechtsorientierte politische Haltung führt zu einer positiveren Bewertung extremistischer Propaganda.
  • Autoritarismus wurde als einziger Einflussfaktor auf Seiten der Persönlichkeitsvariablen identifiziert: Personen mit höher ausgeprägten autoritaristischen Merkmalen beurteilen Propaganda positiver.

Die Befunde dieser Studie dienten neben anderen Quellen als Basis für das Projekt "Counter Narratives".

Ergebnisse der Forschung: Propaganda 2.0 - Psychological Effects of Right-Wing and Islamic Extremist Internet Videos (PDF, 3MB)

2010: Gewalt in der linken und rechten militanten Szene

Dieses Forschungsprojekt beschäftigt sich mit Gewaltdelikten in der rechten und linken militanten Szene und wurde unter dem Titel "Vergleichende Analyse von Gewaltdelikten der Bereiche PMK rechts und PMK links aller Bundesländer für die Jahre 2006-2009" im Auftrag des BKA von dem Sozialwissenschaftler Matthias Mletzko bearbeitet. Die Ergebnisse zeigen einen bedenklich hohen Anteil lebensbedrohlich eingesetzter rechter Gewalt, bei der es oft lediglich situativen Zufälligkeiten überlassen bleibt, ob das Opfer zu Tode kommt oder nicht. Bei der linken Gewalt ist die akute Dimension der Lebensbedrohlichkeit zwar geringer ausgeprägt, sie ist aber durchaus anzutreffen.

Diese Charakteristik hat sich offenbar seit den 1990er-Jahren nicht verändert. Seit 2001 verteilen sich diese schweren Gewaltdelikte etwa zu gleichen Teilen auf die gegen Migranten und Randgruppen gerichtete Hassgewalt und die Konfrontation gegen linke und sonstige Gegner. Auch im linken Phänomenbereich scheint es Kontinuitäten von Tötungsbereitschaften zu geben – kaum überraschend am häufigsten im eskalationsträchtigen Feld der Konfrontation gegen rechts. Darüber hinaus ist die Polizei am zweithäufigsten betroffen, dies insbesondere wieder in jüngerer Zeit. Auch die Tatsache, dass das Jahr 2009 die seit der PMK-Erfassung höchste Zahl linker versuchter Tötungsdelikte (darunter zwei Sachverhalte mit der Handlungsweise des Stein-/Flaschenwurfs) aufweist und sechs von sieben Delikten gegen die Polizei gerichtet sind, ist beachtenswert.

Die Projektergebnisse sind veröffentlicht in: "Aus Politik und Zeitgeschichte", Nr. 44/2010, S. 9 – 16, online: www.bpb.de/apuz/32409 und, in einer erweiterten Version, auf Französisch in: "Revue des sciences sociales", no. 46, 2011, S. 116-125.

Deutsche Version: Gewalthandeln linker und rechter militanter Szenen (PDF, 572KB)

2010: Extremismen in biographischer Perspektive

Was ist ausschlaggebend dafür, dass sich Personen in extremistische bzw. terroristische Milieus hineinsozialisieren? Was motiviert sie, Straftaten zu begehen? Wer sind die Menschen, die hinter der Fassade des "Terroristen" bzw. des "Extremisten" stehen? Diesen und weiteren Fragen ging das Projekt "Extremismen in biographischer Perspektive" in einer aufwendigen, mehrjährigen Studie in Kooperation mit dem Rhein-Ruhr Institut der Universität Duisburg-Essen nach. Hierfür wurden 40 männliche Personen mit Bezügen zu terroristischen bzw. extremistischen Milieus zu ihren biographischen Verläufen befragt.

Obwohl die Themen "Terrorismus" und "Extremismus" zunehmend im Aufmerksamkeitsfokus von Medien und Politik stehen, ist die Anzahl empirischer Forschungsstudien immer noch außerordentlich gering. Dies ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass der Zugang zum Forschungsfeld, welches sich durch einen ausgesprochenen Dunkelfeldcharakter auszeichnet, oft nur schwer zu realisieren ist.

Bisherige Studien fußten in erster Linie auf Akten, Gerichtsurteilen oder Fremdaussagen – Daten, die nicht eigens zu Forschungszwecken erhoben wurden und sehr wahrscheinlich nicht die je subjektiv erlebten Wirklichkeiten der Terroristen bzw. Extremisten selbst widerspiegeln. Um jedoch zu verstehen, was Terroristen und Extremisten bewegt und motiviert, ist es unumgänglich, auch deren Sichtweisen, Deutungszusammenhänge und Interpretationen zu kennen.

Ergebnisse der Forschung: Die Sicht der Anderen (PDF, 2MB)

2009: NPD-Wahlmobilisierung und politisch motivierte Gewalt. Sachsen und Nordrhein-Westfalen im kontrastiven Vergleich

Gibt es zwischen NPD-Wahlmobilisierung und dem Gewalthandeln rechts- sowie linksmilitanter Szenen Wechselwirkungen? Diese Frage untersuchte eine Forschungsgruppe am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e.V. in Dresden in einem Zeitraum von 2003 bis 2006. Sie zieht einen Vergleich zwischen den Bundesländern Sachsen und Nordrhein-Westfalen mittels quantitativer Analysen der Polizei- und Wahldaten sowie qualitativer Untersuchungen (Gerichtsakten, Szeneschriften, Fallstudien zu Räumen gehäufter rechter Gewalttätigkeit, Experteninterviews).

Seit Beginn der neunziger Jahre macht rechte, insbesondere fremdenfeindliche Gewalt einen beträchtlichen Teil des Gesamtaufkommens politisch motivierter Gewaltkriminalität in Deutschland aus. Auch die Bekämpfung des politischen und lebensstilistischen "Feindes" hat an Gewicht gewonnen.
Ein bedenklich hoher und stabiler Gewaltsockel mit überproportionalen Anteilen der östlichen Bundesländer bestimmt das Bild. Angesichts teils spektakulärer Wahlerfolge auf regionaler Ebene stellt sich die Frage, welche Rolle die radikalisierte Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) bei dem hohen Gewaltaufkommen spielt.
Ergebnisse der Forschung: NPD-Wahlmobilisierung und politisch motivierte Gewalt (PDF, 5MB)