Bundeskriminalamt (BKA)

Die Befragung „Lebenssituation, Sicherheit und Belastung im Alltag (LeSuBiA)“ verfolgt das Ziel, das Dunkelfeld im Bereich von Gewaltvorkommnissen in Deutschland zu untersuchen.

Politischer Bedarf und Ziele

Gewalt ist auf individueller und auf gesellschaftlicher Ebene ein Hindernis für eine gleichberechtigte Teilhabe und verstößt gleichzeitig gegen die demokratischen Grundwerte.

Im aktuellen Koalitionsvertrag wird die Entwicklung einer ressortübergreifenden politischen Strategie gegen Gewalt angekündigt, die Gewaltprävention und die Rechte der Betroffenen in den Mittelpunkt stellt. Der Bekämpfung von Gewalt wird eine hohe Priorität beigemessen, die einen zentralen Baustein in vielen Vorhaben der Bundesregierung bildet.

Auf Seite der Täter, Täterinnen und Opfer können deutliche Geschlechterunterschiede beobachtet werden. Diese können anhand der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) nur begrenzt erfasst werden. Die PKS enthält ausschließlich Informationen zu polizeilich bekannt gewordenen Straftaten – zum sogenannten Hellfeld. Informationen über das Gesamtaufkommen von Gewalttaten – also ob angezeigt oder nicht – können nur mittels sogenannter Dunkelfeldforschung erhoben und analysiert werden.

Der Bedarf einer Dunkelfeldstudie zu Gewalt ist groß und steht seit vielen Jahren auf der politischen Agenda. Nur mit verlässlichen Daten ist es möglich, effiziente und wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt zu entwickeln. Die letzten repräsentativen Daten zur Gewaltbetroffenheit von Frauen in Deutschland wurden 2014 von der Fundamental Rights Agency (FRA) erhoben. Im Jahr 2004 wurde die erste repräsentative Opferbefragung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland durchgeführt. Im selben Jahr wurde eine Pilotstudie zur Gewaltbetroffenheit von Männern vorgelegt. Diese Studien haben entweder nur Frauen oder nur Männer befragt. Eine geschlechterübergreifende Befragung, die einen direkten Vergleich zwischen Geschlechtern ermöglicht, gibt es in Deutschland bislang nicht. Darüber hinaus fehlt es an aktuellen Informationen über das Verhältnis zwischen angezeigter und nicht angezeigter Gewalt – insbesondere im Bereich von partnerschaftlicher Gewalt, sexualisierter Gewalt sowie Gewalt im digitalen Raum.

Diese Lücke schließt LeSuBiA. LeSuBiA erhebt neue Dunkelfeldzahlen zur Gewaltbetroffenheit von Frauen und Männern in Deutschland. Damit geht LeSuBiA sogar über die Forderungen der Istanbul-Konvention hinaus, die primär auf Gewalt gegen Frauen gerichtet sind. Bewusst wurde ein geschlechterübergreifender Ansatz gewählt, der dem wachsenden Interesse geschlechterdifferenzierender Untersuchungen nachkommt. LeSuBiA knüpft inhaltlich – soweit möglich – an die Studien des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) aus 2004 („Gewalt gegen Frauen“, „Gewalt gegen Männer“) sowie die EU Befragung zu „Gender-based Violence an (EU-GBV).

Die Ergebnisse dienen zur Bildung einer faktenbasierten Grundlage für Entscheidungen zum wirksamen Gewaltschutz von Frauen und Männern und deren Kindern. Sie sollen dabei helfen, Gewalt zu verhindern, betroffene Personen vor Gewalt zu schützen und angemessene Hilfe zu bieten. Darüber hinaus sollen die Projektergebnisse einen sensibilisierenden Beitrag in den Bereichen Partnerschaftsgewalt, sexualisierte Gewalt, Stalking und digitale Gewalt leisten.

Hintergrund

Die Konzeption der Studie berücksichtigt die Empfehlungen und das Gewaltverständnis der Istanbul-Konvention und verfolgt – soweit inhaltlich und methodisch sinnvoll – eine Anschlussfähigkeit an die deutschlandweiten Studien des BMFSFJ 2004 und die aktuell in der Durchführung befindliche Eurostat Befragung (EU-GBV).

Istanbul-Konvention

Deutschland hat sich durch die Ratifizierung der Istanbul-Konvention dazu verpflichtet, alle Formen geschlechtsspezifischer Gewalt zu verhüten und zu bekämpfen. Das Übereinkommen des Europarates wurde 2011 als völkerrechtlicher Vertrag seitens des Europarates ausgefertigt. Es beinhaltet 81 Artikel zum Schutz vor Gewalt. 2017 wurde der Vertrag von Deutschland ratifiziert und ist seit dem 1. Februar 2018 rechtlich verbindlich. Damit verpflichtet sich Deutschland zur Bekämpfung von Gewalt, zum besseren Opferschutz, zur Verhinderung von Straftaten und zu einer stringenten Bestrafung der Täter und Täterinnen. Zu diesen Verpflichtungen gehört es auch, „in regelmäßigen Abständen bevölkerungsbezogene Studien durchzuführen, um die Verbreitung und Entwicklung aller in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt zu bewerten“ (Art. 11 Abs. 2 Istanbul-Konvention). Insbesondere letztgenanntem Anliegen kommt LeSuBiA nach.

BMFSFJ-Studien 2004

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat erstmals 2004 zwei Studien zur Gewaltbetroffenheit, einerseits von Frauen und andererseits von Männern, durchgeführt.

Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. Eine repräsentative Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland

In dieser Befragung wurden mehr als 10.000 Frauen zwischen 16 und 85 Jahren zu Gewalterfahrungen in verschiedenen Lebensphasen befragt. Damit wurde die Grundlage geschaffen, „um gezielte Maßnahmen und Strategien zum Abbau von Gewalt im Geschlechterverhältnis und zur Verbesserung der Hilfe- und Unterstützungssituation für gewaltbetroffene Frauen zu entwickeln“. Dies ist bislang die einzige repräsentative Studie, die eine umfassende Analyse der Gewaltbetroffenheit von Frauen in Deutschland ermöglicht.

Gewalt gegen Männer. Personale Gewaltwiderfahrnisse von Männern in Deutschland. Ergebnisse der Pilotstudie
In dieser Befragung wurden erstmalig Männer als Opfer von Gewalt im häuslichen und außerhäuslichen Bereich untersucht. Hierzu wurden 266 Männer mündlich sowie schriftlich befragt, die zufällig ausgewählt wurden. Aufgrund der geringen Fallzahl ist die Studie nicht repräsentativ.

Eurostat GBV

Eurostat 2016 hat zur Erfüllung der Istanbul-Konvention eine „Task Force on the Development of a Survey on Gender-Based Violence“ eingesetzt. Diese hatte den Auftrag, ein Konzept zur Implementierung einer EU-weiten Opferbefragung zu geschlechtsspezifischer Gewalt zu erarbeiten und umzusetzen. Das BKA hat sich an der Task Force beteiligt und gemeinsam mit anderen EU-Ländern einen Erhebungsfragebogen sowie eine Methodik zur Messung geschlechtsspezifischer Gewalt im Sinne der Istanbul-Konvention entwickelt. Nachdem in einigen Mitgliedstaaten zwischen 2018 und 2019 Pilotbefragungen stattfanden, wird die Haupterhebung aktuell in 14 Mitgliedstaaten durchgeführt. Erste Ergebnisse wurden 2022 veröffentlicht. Deutschland hat sich gegen die Teilnahme an dem Projekt entschieden. In Abwägung von verschiedenen methodischen, inhaltlichen und erhebungspraktischen Gründen wurde bewusst ein geschlechterübergreifender Ansatz unter stärkerer Bezugnahme auf die genannten nationalen Vorerhebungen gewählt. Dies war die Geburtsstunde von LeSuBiA. LeSuBiA versucht dennoch anschlussfähig an die Eurostat-Erhebung und somit international vergleichbar zu sein.

Inhalte der Befragung

LeSuBiA stellt Fragen zur aktuellen Lebenssituation, der Sicherheit und den Belastungen im Alltag. Dabei werden Informationen über Erfahrungen, Einstellungen und Verhaltensweisen der Befragten zu diesem Thema sowie Angaben zu sozialstrukturellen Merkmalen und ihrem Wohnumfeld erhoben.

Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Erhebung von Gewalterfahrungen in (Ex-) Paarbeziehungen, sexualisierter Gewalt und Gewalt im digitalen Raum. Ziel dabei ist es auch, Erkenntnisse über geschlechtsspezifische Unterschiede im Dunkelfeld zu gewinnen. Erfahrungen mit der Polizei, Justiz oder Opferhilfeangeboten werden in der Studie ebenfalls berücksichtigt.

Methodik

LeSuBiA ist eine klassische Dunkelfeld-Opferbefragung. Opferbefragungen haben das Ziel, Kenntnisse über das Gesamtaufkommen von Straftaten, einschließlich des sogenannten (relativen) Dunkelfeldes, zu gewinnen. Ziel ist es also herauszufinden, wie viele Straftaten in Deutschland – ob behördlich erfasst oder nicht – passieren. Dafür werden per Zufallsverfahren Personen aus der Bevölkerung ausgewählt und nach ihren Erfahrungen mit entsprechenden Erlebnissen innerhalb eines bestimmten Zeitraums befragt.

Die Studie strebt eine möglichst hohe Qualität bei der Auswahl der befragten Personen und bei der Datenerhebung an. Die 16- bis 85-jährigen Befragten werden durch eine zufallsbasierte Bevölkerungsstichprobe (sogenannte Registerstichprobe) in Privathaushalten in Deutschland ausgewählt. Personen mit Migrationshintergrund aus Polen, der Türkei, der ehemaligen Sowjetunion und Personen aus ausgewählten Fluchtländern werden im Rahmen einer Zusatzstichprobe überproportional gezogen, damit die einzelnen Migrationsgruppen getrennt ausgewertet werden können.

Die Befragung ist als sogenannte Mixed-Mode-Befragung konzipiert, bei der vornehmlich persönlich-mündliche Interviews (CAPI/CASI) durchgeführt werden. Unter bestimmten Umständen wird die Befragung nachgelagert als Onlinebefragung (CAWI) realisiert, etwa wenn eine Teilnahme an der persönlich-mündlichen Befragung aus sprachlichen Gründen nicht möglich ist. Der Onlinefragebogen wird in die Sprachen Arabisch, Englisch, Polnisch, Russisch und Türkisch übersetzt.

Das Fragenprogramm ist standardisiert, die angestrebte Nettofallzahl der befragten Personen beträgt insgesamt 22.000.

Das Erhebungsdesign der Studie folgt hohen Standards und Methoden der empirischen Sozialforschung, die in enger Zusammenarbeit mit einem Wissenschaftlichen Beirat entwickelt und ausgearbeitet werden.

Die Durchführung der Befragung ist für 2023/2024 geplant.

Die Ergebnisse werden in Form eines Berichts für 2025 erwartet.

Projektbeteiligte

Die Studie wird durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) und das Bundeskriminalamt (BKA) gemeinsam durchgeführt und verantwortet.

Zur Durchführung der Datenerhebung wurde das Umfrageinstitut Verian (ehemals Kantar Public) beauftragt.