Bundeskriminalamt (BKA)

Interview: "Anforderungen beim Deutsch- und Sporttest abgesenkt"

BKA-Präsident Holger Münch im Gespräch mit der WELT über das Bewerbungsverfahren im BKA und veränderte Anforderungen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

WELT: Herr Münch, muss ein BKA-Ermittler wissen, wie man „Chrysanthemen“ schreibt?

Münch: Nein, weil wir heute im Zeitalter von Rechtschreibkorrektur-Programmen leben. Das ist einer der Gründe, warum wir derzeit prüfen, wie unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Zukunft aussehen sollen. Wen brauchen wir, welche Talente und Fähigkeiten brauchen wir und wie stellen wir das fest? Aber ich weiß, worauf sie anspielen…

WELT: Es geht um das Einstellungsverfahren beim BKA. Angeblich scheitert schon heute die Hälfte der Bewerber am Deutsch-Test.

Münch: Diese Berichterstattung nach dem Motto "dümmer als die Polizei erlaubt" hat mich sehr irritiert. Fakt ist: Die Personalqualität bei der Polizei hat sich in den vergangenen 20 Jahren tendenziell verbessert. Defizite in der Rechtschreibung, die generell auch schon länger diskutiert werden, bedeuten deshalb nicht, dass die jungen Leute dümmer geworden sind. Im Gegenteil. Viele Bewerber haben heute Fähigkeiten, die wir dringend benötigen.

WELT: Was muss ein Bewerber beim BKA können?

Münch: Im BKA gibt es mehr als 70 Berufsgruppen, und nicht nur die klassischen Ermittler. Unser Auswahlverfahren besteht aus einem Intelligenztest, einem Rechtschreibtest, einem Sporttest, dem Assessment–Center mit unterschiedlichen Übungen, einem persönlichen Auswahlgespräch und der medizinischen Untersuchung auf Polizeidiensttauglichkeit. Die Hürden waren und bleiben überall hoch, weil wir sehr gute Leute wollen. Das Verfahren aber muss zeitgemäßer werden. Wir brauchen einen Philosophiewechsel.

WELT: Das heißt, es wird zukünftig keine Deutsch-Tests mehr geben?

Münch: Doch. Aber wir haben zunächst die Mindestanforderungen beim Deutsch- und beim Sporttest abgesenkt, damit wir mehr Bewerber im persönlichen Gespräch kennenlernen können. Wir wollen sehen, welches Gesamtpaket wir bekommen. Was hilft es da, wenn ich einen Computernerd nicht einstellen kann, nur weil er keine zwanzig Klimmzüge schafft?

WELT: Aber gerade bei IT-Fachkräften gilt der Staat nicht als attraktiver Arbeitgeber. Sport-Test hin oder her – ein Computernerd verdient bei der Polizei oft deutlich weniger als in der freien Wirtschaft.

Münch: Das stimmt. Trotzdem haben wir hier viele Bewerber. Denn wir haben einiges zu bieten. Hier bei uns können sie an der Sicherheit Deutschlands arbeiten. Die Arbeit ist sinnstiftend, interessant und nicht zuletzt sind die Jobs auch sicher.

WELT: Welche Herausforderungen kommen auf das BKA künftig zu?

Münch: Kriminalität verändert sich. Sie wird digitaler, vernetzter und internationaler. Und genauso muss sich Polizeiarbeit auch weiterentwickeln. Den einen Ermittler gibt es schon heute nicht mehr. Er wird bereits jetzt von Spezialisten unterstützt, seien es IT-Forensiker oder Kriminaltechniker. Das wird in Zukunft noch intensiver werden. Genau wie die internationale Vernetzung von Polizeibehörden und der verstärkte Datenaustausch.

WELT: In welchen Bereichen benötigt das BKA am dringendsten Personal?

Münch: Der internationale Terrorismus und die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität werden uns weiter beschäftigen. Allgemein entwickeln Kriminelle inzwischen sehr viel schneller neue Methoden oder erschließen neue Geschäftsfelder. Zum Beispiel den Drogenhandel über illegale Marktplätze im sogenannten Darknet. Dschihadisten telefonieren heute immer seltener. Stattdessen nutzen sie verschlüsselte Chatprogramme auf Mobiltelefonen. Hier brauchen wir Spezialisten, die dafür Lösungen entwickeln.

WELT: Wie zuversichtlich sind Sie, dass Sie ausreichend Bewerber finden werden?

Münch: Schon jetzt ist die Bewerberzahl um 25 Prozent gestiegen. Und wir arbeiten daran, dass sie weiter steigt. Wir entwickeln Fachkarrieren für Wirtschafts- und Cyberkriminalisten und wir wollen auch für Menschen, die keinen deutschen Pass haben, ein interessanter Arbeitgeber sein. Denn sie bringen unter anderem mit ihren Sprachkenntnissen und interkulturellen Kompetenzen für uns wichtiges Rüstzeug und wichtige Sichtweisen mit. Was die Verbeamtung angeht, sind Ausnahmen möglich. Davon wollen wir auch Gebrauch machen.